Der Ikea-Effekt in der Aus- und Weiterbildung
Motivierte Mitarbeitende bilden das Rückgrat eines erfolgreichen Unternehmens. Sie sind der Schlüssel zu nachhaltigem Wachstum und Innovation. Und genau hier kommt der „Ikea-Effekt“ ins Spiel, ein faszinierendes psychologisches Phänomen, mit dem du die L&D-Strategie deines Unternehmensnoch erfolgreichen machen kannst.
Der Ikea-Effekt stammt von den drei ForschernMichael Norton, Daniel Mochon und Dan Ariely und beschreibt das Phänomen, dass Menschen Produkten, die sie selbst erschaffen oder an denen sie mitgewirkt haben, einen unverhältnismäßig höheren Wert zusprechen. Diese Vorliebe für selbstgemachte Produkte geht über das eigene Zusammenbauen von Möbeln weit hinaus und lässt sich am Arbeitsplatz nutzen. Hinter dem Phänomen steckt ein psychologisches Prinzip, nach dem der Aufwand, den wir in die Kreation stecken, dazu führt, dass wir uns mit dem Ergebnis emotional verbunden fühlen und es als wertvoller wahrnehmen.

Dieser Effekt basiert auf mehreren grundlegenden Theorien aus der Psychologie. Wir Menschen neigen nicht nur dazu, Ergebnisse, an denen wir mitgewirkt und für die wir uns angestrengt haben, besser zu bewerten. Die Theorie der kognitiven Dissonanz legt zudem nahe, dass wir uns unwohl fühlen, wenn das, was wir tun, nicht zu dem passt, was wir denken. Wenn wir also etwas selbst machen und es dann nicht gut finden, hängt unser innerer Haussegen schief. Die Lösung? Wir bewerten Selbstgemachtes besser – und schon fühlen wir uns wieder wohler. Darüber hinaus besagt der Besitztumseffekt, dass wir Produkte, die wir besitzen, wertvoller finden. Dieser Effekt ist umso stärker, je mehr wir für den Besitz des Produkts tun mussten.
1. Gemeinsame Gestaltung der Lerninhalte und -wege
Wenn du den Ikea-Effekt im L&D-Bereich nutzen möchtest, beginnst du am besten damit, dass du die Mitarbeitenden aktiv in die Gestaltung und Planung ihrer individuellen Weiterentwicklung einbindest. Dürfen Mitarbeitende in diesem Bereich mitreden, arbeiten sie motivierter auf die gewünschten Ergebnisse hin. Das belegt auch die Selbstbestimmungstheorie, nach der die Selbstbestimmung eine große Rolle bei der Motivation spielt:Die intrinsische Motivation nimmt zu, je mehr Mitarbeitendeihre Entwicklungsziele und -wege selbst bestimmen können.
Außerdem fördert das Einbeziehen der Mitarbeitenden ein Gefühl von Teilhabe und Verantwortlichkeit. Dahinter steckt die Theorie der partizipativen Entscheidungsfindung. Sie besagt, dass sich Menschen einer Entscheidung oder einem Plan stärker verpflichtet fühlen, wenn sie daran mitgewirkt haben. Darüber hinaus löst diese Mitgestaltung ein Gefühl der Handlungsfähigkeit (sense ofagency) und Kontrolle aus, was wiederum die Motivation steigert. Das Ergebnis sind effektivere Lernresultate.
2. Praktisches, erfahrungsbasiertes Lernen
Der Ikea-Effekt zeigt, wie wichtig es ist, Mitarbeitende in den Lernprozess aktiv zu involvieren. Die Theorie des erfahrungsbasierten Lernens, vor allem nach David Kolb,besagt zudem, dass wir immer dann etwas Neues dazulernen, wenn wir Erlebnisse umwandeln. Das bedeutet, dass der Lernprozess profitiert, sobald wir neu erworbene Kompetenzen in projektbasierten, praxisnahen Aufgaben anwenden. Diese praktische Nutzung löst bei uns auch das Gefühl aus, dass wir mehr von dem neu erlernten Wissen haben.
Die Vorteile des Praxisbezugs beim Lernen belegen auch die konstruktivistischen Lerntheorien, nach denen Lernende Wissen über Erfahrung und Reflexion erwerben. Wenn wir uns also an interaktiven Workshops, Simulationen und Projekten aus der Praxis beteiligten, können wir das Erlernte besser integrieren und anwenden, was wiederum zu einem tieferen und langfristigeren Verständnis führt.
3. Anerkennung und Verstärkung
Für Mitarbeitende ist es essenziell, dass ihre Erfolge anerkannt und gefeiert werden. Das gilt auch für Lernerfolge und ist Voraussetzung dafür, dass auch der Ikea-Effekt nachhaltig wirkt. Laut Verstärkungstheorie ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir ein Verhalten wiederholen, höher, wenn das Verhalten belohnt wird. Mit der Anerkennung der Lernerfolge deiner Mitarbeitenden, steigerst du nicht nur die Arbeitsmoral, sondern auch den Mehrwert eurer L&D-Programme. Diese Anerkennung kann dabei formell erfolgen, zum Beispiel über Belohnungen und Incentives, oder informell über öffentliches Lob.
Auf psychologischer Sicht ist die Wirkung von Anerkennung enorm. Sie stillt das menschliche Bedürfnis nach Wertschätzung und Selbstverwirklichung, wie es auch Maslow in seiner Bedürfnispyramide darstellt. Haben Mitarbeitende das Gefühl, dass ihre Bemühungen geschätzt werden, steigt ihre Motivation, an weiteren Lernaktivitäten teilzunehmen. So entsteht eine positive Feedbackschleife, die zum Gesamterfolgdeines Unternehmens beitragen kann.
4. Eine Kultur des lebenslangen Lernens
Um den Ikea-Effekt zugunsten der L&D-Strategie deines Unternehmens einzusetzen, muss lebenslanges Lernen in der Unternehmenskultur verankert sein. Hier kommt das japanische Prinzip namens Kaizen ins Spiel. Wortwörtlich bedeutet „Kaizen“ so viel wie „ständige Veränderung“. Das Prinzip unterstreicht die Bedeutung der kleinen positiven Veränderungen, die mit der Zeit in Summe zu bedeutenden Verbesserungen führen. Im Rahmen einer Unternehmenskultur, in der lebenslanges Lernen und eine nachhaltige Entwicklung geschätzt und gefördert werden, kannst du den Ikea-Effekt optimal nutzen, um Mitarbeitende einzubinden, sie zu motivieren und als Unternehmen weiter zu wachsen.
Das lebenslange Lernen als Teil der Unternehmenskultur betont auch die Theorie der lernenden Organisation nach Peter Senge. Dazu gehört, dass Mitarbeitende ihre Entwicklung nicht als Ziel, sondern als Weg sehen – ein Weg, den ihnen ihr Unternehmen durch regelmäßiges Feedback, Beratung und den Zugriff auf vielfältige Lernressourcen erleichtert. Solch eine Umgebung motiviert die Mitarbeitenden nicht nur. Sie fördert auch die Innovationskraft und die Anpassungsfähigkeit innerhalb des Unternehmens.
5. Ein sicherer Raum zum Experimentieren
Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Nutzung des Ikea-Effekts in der Aus- und Weiterbildung ist ein sicherer Ort, an dem Mitarbeitende risikofrei experimentieren und lernen können. Das Konzept der psychologischen Sicherheit nach Amy Edmondsonbesagt, dass es ein Umfeld braucht, in dem Mitarbeitende keine Angst haben, Risiken einzugehen und aus ihren Fehlern zu lernen. Wenn Mitarbeitende ihren Arbeitsplatz als Ort sehen, an dem sie nicht bestraft, sondern gefördert werden, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie innovative Denkansätze entwickeln und sich laufend weiterbilden.

Experimentieren und iterative Lernprozesse finden wir auch in agilen Lernmethodologien. In ihnen stehen Anpassungsfähigkeit, Feedback und die laufende Verbesserung im Mittelpunkt. Gelingt es Unternehmen, dass ihre Mitarbeitenden Fehler nicht als Rückschläge, sondern als Chancen sehen, steigern sie die Resilienz und die Kreativität ihrer Mitarbeitenden. Dieser Ansatz fördert nicht nur die individuelle Entwicklung, sondern auch die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Unternehmens.
6. Technologie für personalisiertes Lernen
Der technologische Fortschritt bringt uns jede Menge Tools, mit denen wir den Ikea-Effekt in der Aus- und Weiterbildung noch stärker nutzen können. Learning Management Systems (LMS) mit personalisierten Lernpfaden und interaktiven Inhalten können die Motivation und die Freude am Lernen signifikant steigern. Gamification-Elemente wie Punkte, Abzeichen und Bestenlisten fördern die intrinsische Motivation und machen aus dem Lernen eine angenehme und lohnende Erfahrung.
Smarte Lerntechnologien können ihre Inhalte auch auf Basis der individuellen Leistungen und Vorlieben anpassen, um die Lernerfahrungen noch stärker zu personalisieren. So stellst du sicher, dass jede und jeder Einzelne im Unternehmen die passenden Herausforderungen und die geeignete Unterstützung erhält, um noch effektiver zu lernen. Dazu bekommst du Daten und Analysen, die dir wertvolle Einblicke in das Lernverhalten und die Präferenzen der Mitarbeitenden liefern, und kannst die Trainings noch gezielter und effektiver gestalten.
7. Kollaboratives Lernen
Beim kollaborativen Lernen, wie es Albert Bandura in seinen sozialen Lerntheorien beschreibt, geht es um das Lernen durch Beobachten, Imitieren und Modellieren. Wenn Mitarbeitende über Abteilungen und Funktionen hinweg voneinander und miteinander lernen, entsteht ein Zusammengehörigkeitsgefühl und ein gemeinsamer Zweck. Beides begünstigt den Ikea-Effekt. Über das kollaborative Lernen knüpfen Mitarbeitende engere Beziehungen und fühlen sich dem gemeinsamen Team- und Unternehmenserfolg stärker verpflichtet.
Auch Online-Communitys und -Foren für den Wissens- und Erfahrungsaustausch können das kollaborative Lernen unterstützen. Wenn Mitarbeitende auf solchen Plattformen Ideen, Ressourcen und Best Practices teilen, entsteht ein besonders vielfältiges L&D-Umfeld. Als Unternehmen tun ihr gut daran, Wissensaustausch und Kollaboration in der Unternehmenskultur zu verankern, um das kollektive Know-how deiner Belegschaft noch effektiver zu nutzen und damit sowohl das Unternehmenswachstum als auch die Innovation zu fördern.
Fazit: Gemeinsam in eine bessere Zukunft
In der Aus- und Weiterbildung ist der Ikea-Effekt ein einzigartiger und wirkungsvoller Ansatz. Sobald du die dahinterliegenden psychologischen Prinzipien verstehst und anwenden kannst, entstehen L&D-Strategien, die nicht nur effizient sind, sondern auch die Mitarbeitenden nachhaltig einbinden und motivieren. Dabei gilt es, Mitarbeitenden ein Mitspracherecht in ihrer eigenen Entwicklung zu geben, praktische Lernerfahrungen zu ermöglichen, Erfolge anzuerkennen, eine Kultur der laufenden Weiterentwicklung zu fördern, sichere Räume für das Experimentieren zu schaffen und kollaborative Lernerlebnisse zu schaffen.
Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Aus- und Weiterbildung ist nicht nur die reine Wissensvermittlung. Vielmehr geht es darum, relevante Erlebnisse und Erfahrungen zu bieten, die Mitarbeitende schätzen und auf die sie stolz sind. Der Ikea-Effekt kann dir dabei helfen, damit die Motivation deiner Mitarbeitenden für ihre persönliche und die Entwicklung deines Unternehmens steigt.
Entdecken Sie die kompletten Podcastfolgen!
Entdecken Sie weitere Einblicke, Tipps und Tricks in unseren Podcast-Folgen.